Kim Jong-uns Neffe packt aus: der 17-jährige Kim Han-sol, einer der jüngsten Mitglieder der nordkoreanischen Herrscherfamilie, hat zum ersten Mal in seinem Leben in westlichen Medien ein langes Fernsehinterview gegeben, und dabei aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht.
Im finnischen TV erzählte der Teenager recht freimütig, wie es sich anfühlt, zur Sippe der einzigen kommunistischen Dynastie der Welt zu gehören. Und er äußerte Ansichten, die daheim in Pjöngjang sicher nicht gern gehört werden.
Kim Han-sol ist der Enkel des verstorbenen „Geliebten Führers“ Kim Jong-il und Urenkel des wie ein Gott verehrten Staatsgründers Kim Il-sung. Sein Vater Jung-nam lebt seit langem im Ausland und hatte in der Vergangenheit mehrfach als Lebemann für Skandale gesorgt.
Er gilt als in Ungnade gefallener einstiger Lieblingssohn. 2001 hatte er versucht, mit einem illegalen dominikanischen Pass in Japan einzureisen, um dort Disneyland zu besuchen und hatte sich damit zum internationalen Gespött gemacht. In letzter Zeit ist er aus dem Rampenlicht verschwunden.
Interesse am arabischen Frühling
Sein Sohn Han-sol wurde 1995 in Pjöngjang geboren und war mit der Familie nach Macao gezogen, als er zwei Jahre alt war. Seit September 2011 geht er in Mostar in Bosnien-Herzegowina auf ein Internat des „United World College“. Er spricht fließend Englisch mit amerikanischem Akzent. Obwohl er zwei kesse Ohrringe im linken Ohr trägt, wirkt er mit seiner dunklen Hornbrille und dem glatten, pausbäckigen Gesicht jung, sehr brav und unschuldig für sein Alter.
Doch in all dieser Unschuld nennt er seinen Onkel, den jungen Staatschef des isolierten Landes, ohne Umschweife einen „Diktator“: „Ich habe sie (den Onkel und seinen Großvater Kim Jong-il) nie getroffen… Ich weiß wirklich nicht, wie er zum Diktator wurde, das war eine Sache zwischen ihm und meinem Großvater”. Sein eigener Vater, der einst designierte Nachfolger Kim Jong-ils, sei laut Han-sol „definitiv nicht wirklich an Politik interessiert”.
Der brave Jugendliche im schwarzen Anzug und schwarzer Krawatte schnitt auch noch ein weiteres Thema an, das in seiner Heimat tabu sein dürfte: den Arabischen Frühling. Der Aufstand in Libyen und der Sturz Gaddafis sei „sehr interessant“. Er erzählte, sein Zimmergenosse im Internat stamme aus Libyen. „Als die Revolution passierte, war er wirklich enthusiastisch.“
„Ich will die Dinge besser machen“
Er selber träume von der Wiedervereinigung der beiden Koreas. „Denn es ist wirklich traurig, dass ich nicht dorthin gehen kann, um meine Freunde zu sehen, Ja, es ist eine wirklich traurige Geschichte”.
Wenn er die Schule beendet habe, wolle er sich in humanitären Projekten engagieren und dabei mitwirken, den Weltfrieden voranzutreiben, „besonders zuhause in der Heimat, denn das ist ein wichtiger Teil meines Lebens“. Der Junge hat große Pläne: „ich habe immer davon geträumt, dass ich eines Tages zurückgehen und die Dinge besser machen werde“.
Das fast 30-minütige Interview war Anfang der Woche in Finnland ausgestrahlt worden und wurde inzwischen auf YouTube (Teil 1, Teil2) hochgeladen. Die Reporterin war Elisabeth Rehn, ehemalige finnische Verteidigungsministerin und hochrangige Mitarbeiterin der Vereinten Nationen. Im Februar war Kim Han-sol schon einmal deutlich kürzer vom arabischen Fernsehsender al-Dschasira interviewt worden, damals war es aber nur um seine Schulerlebnisse gegangen.
„Schritt für Schritt die Puzzlestücke zusammengesetzt”
Seine Mutter, erzählt Kim Han-sol in dem Gespräch, sei eine „ganz normale Nordkoreanerin gewesen”. Er habe lange nicht gewusst, dass sein Opa der „geliebte Führer” war, obwohl er oft im Sommer in die Heimat gereist war, um Verwandte mütterlicherseits zu besuchen. „Schritt für Schritt, durch Gespräche zwischen meinen Eltern, habe ich die Puzzlestücke zusammengesetzt”, erinnert er sich ein wenig wehmütig.
Seinen berühmt-berüchtigten Großvater hätte er gern einmal persönlich getroffen, bevor dieser im vergangenen Dezember starb. „Ich habe tatsächlich auf ihn gewartet und gehofft, dass er mich findet, denn mir war wirklich nicht klar, ob er überhaupt wusste, dass ich existierte”.
Seine Mutter aber habe ihn immer darin bestärkt, ein ganz normales Leben zu führen, „um die Menschen besser zu verstehen”. Sein Vater Kim Jong-nam, der sich in der Vergangenheit schon mehrfach kritisch über das Regime seiner Familie in Nordkorea und gegen die dortige dynastische Nachfolgeregelung geäußert hat und öffentlich für Wirtschaftsreformen plädierte, habe den Jungen ebenfalls stets zur Bescheidenheit ermahnt – ein wenig ironisch, bedenkt man all die Exzesse, die Kim Jong-nam in den Medien Schlagzeilen beschert haben.
Schlagzeilen über private Facebookseite
„Mein Vater hat mir immer gesagt, ich soll meinen Hintergrund und alles vergessen. Ich soll mein Leben leben. Es gibt schließlich viele Menschen, die hungrig sind. ‘Denk immer zweimal nach und sei dankbar für das, was Du gerade hast’".
Kurz bevor er im vergangenen September nach Mostar umzog, hatte Kim Han-sol für Schlagzeilen gesorgt, weil seine private Facebookseite und andere Einträge auf sozialen Netzwerken den südkoreanischen Medien zugespielt worden waren. Dort waren unter anderem Fotos von ihm (damals erst 16) mit hochtoupiertem Haar ganz im Stil seines verstorbenen Großvaters und einer hübschen jungen Frau im Arm zu sehen.
Auf seinem Profilfoto trug er außerdem ein Kruzifix um den Hals und blondgebleichtes Haar. Er hatte hier Parolen wie „Lang lebe die Demokratie!” gepostet.
Der Jugendliche hatte sich außerdem auf einer asiatischen Datingseite namens „AsiaFind” eingetragen, wie die südkoreanische Tageszeitung „Chosum Ilbo” berichtete. Bei MySpace hatte er sein Jahreseinkommen mit „über 250.000 US-Dollar” beziffert.
Journalisten hatten damals seinen Fußabdruck im World Wide Web nachverfolgt und seine Internet-ID als „khsol616" oder „kimhs616" identifiziert, beides Kombinationen aus seinen englischen Initialen und seinem Geburtstag. Kurz darauf waren sämtliche Seiten blockiert worden.